Überholung der Solex-Vergaser 44PHH vom Mercedes 190 SL

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O.E.D.
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Überholung der Solex-Vergaser 44PHH vom Mercedes 190 SL

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Wenn es um die Überholung der Solex-Vergaser 44PHH ihres Mercedes 190 SL geht, herrscht bei vielen Kunden eine große Unsicherheit.

Eines vorweg: Von einer Umrüstung auf eine andere Vergasermarke als Solex kann ich Ihnen nur abraten. Oft liest man, daß dies erheblich billiger sei als eine Instandsetzung.
Die technischen Probleme, welche solch ein Wechsel nach sich zieht, werden dabei meist verschwiegen. Da die Kurbelwelle des 4-Zylinder Reihenmotors vom Mercedes 190 SL nur 3-fach gelagert ist, sind die Drücke der alternativen Vergaseranlage für die Welle viel zu hoch. Die Folge können Pleuellagerschäden sein. Auch kann der Wechsel von Solex auf eine Vergaseranlage mit getrennten Ansaugbrücken und somit veränderter Unterdruckansteuerung, zu erheblichen Ansteuerungsproblemen am Bremskraftverstärker (z.B. anliegender Unterdruck zu niedrig) führen.
Schon allein zur Erhaltung des Wertes und der Historie ihres Fahrzeuges, sollten Sie außerdem aus optischen Gründen von einer Umrüstung absehen.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle eine Entscheidungshilfe an die Hand geben, damit Sie die vorhandenen Qualitätsunterschiede der am Markt angebotenen Vergaserinstandsetzungen erkennen können. Gleichzeitig sollten Sie danach einen Überblick über die einzelnen Arbeitsabschnitte haben, und wie sich die einzelnen Kosten bei einer seriösen und technisch perfekten Instandsetzung der 44PHH Solex Vergaser zusammensetzen.

Trotz Einsatz von Maschinen ist der Anteil von Handarbeit bei der Restaurierung der 44PHH Vergaser nicht zu vernachlässigen.
Die größten Zeit- und Kostenfaktoren sind hierbei die Nacharbeitung der Mischkammerbohrungen (mit gleichzeitiger Anfertigung neuer Drosselklappen) und die Überarbeitung der Wellenlagerung der Vordrossel.

Die Ursache für den übermäßigen Verschleiß der Mischkammerbohrungen durch "Eingraben" der einzelnen Klappenkanten liegt in den für einen 2 L Motor riesigen Öffnungen (4 x 44mm Durchmesser). Im Leerlauf hat der 4-Zylinder Reihenmotor des Mercedes 190 SL einen Luftbedarf von 8-10kg/h und dazu sind die Klappen nahezu geschlossen. Der Motor hat auf Grund seiner Konstruktion einen sehr schlechten Massenausgleich und erzeugt negative Schwingungen der 2. Ordnung (doppelte Drehzahlfrequenz).

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Darüber hinaus kommt erschwerend hinzu, daß der Motor nur drei Hauptlager besitzt und die Vergaser, bedingt durch das Flachstromkonzept, einen großen Abstand zum Aggregat.
Die Vergaser-Baugruppe (bestehend aus Luftsammler, Vergaser, Saugrohren, Anbauteilen) weist ein hohes Gewicht auf, so dass Überlastungsbrüche die Folge sind, wenn die schwere Vergaseranlage ohne zusätzliche Stütze gefahren wird.
Auch unfachmännisch montierte Ansaugbrücken können zu dem gleichen negativen Ergebnis führen, wenn sich diese mit der Zeit lösen.

Mittlerweile ist es eine Unsitte geworden die empfindlichen Vergasergehäuse aus Zeitgründen zu Strahlen. Durch diesen Vorgang wird diese Schutzschicht der Vergaser für immer zerstört. Sie würden ja auch nicht auf die Idee kommen, ihren Wagen anstatt mit einem Baumwolltuch mit 100er Schmirgelpapier zu polieren, oder?

In diesem Zusammenhang möchte ich nun ein weiteres Thema in den Fokus rücken: Abstandsbuchsen und Dichtplatten am Vergaserfuß.
Um die Kräfte beim Anziehen der Vergaser zur Ansaugbrücke optimaler zu verteilen, arbeiten wir hier technische Verbesserungen ein. Gleichzeitig wird ein Lösen der Vergaser und das altbekannte Einarbeiten der Buchsen in das Gussmaterial verhindert. Dies gilt besonders für die sehr dünn und schwach ausgelegte 1. Vergasergeneration des 44-PHH (ohne Versteifungs- und Verstärkungsrippen im Vergasergehäuse und ohne Konstruktionsverbesserung von Solex im Gussmaterial).

Es werden immer Grundsatzdiskussionen bezüglich der zu verwendeten Materialien bei einer Vergaserinstandsetzung geführt. Teilweise werden Hochleistungsbuchsen, verchromte Wellen aus Messing, zusätzliche Dichtringe etc. verwendet und als Weltneuheiten gepriesen.
Wir halten uns strikt an die Vorgaben und technischen Verbesserungen aus den originalen Bauplänen und -zeichnungen der Ingenieure von Solex und Mercedes.

Im Internet hat sich das Gerücht verbreitet, daß die 44PHH Solex Vergaser selbst durch eine Reparatur nicht laufstabil würden.
Diese Aussage entspricht jedoch nicht der Wahrheit, falls die Vergaserinstandsetzung von Fachleuten nach den hohen Qualitätsanforderungen von Solex und Mercedes durchgeführt wurde. Die Laufunruhe liegt dann 100%ig nicht an den Vergasern, sondern ist z.B. in der Zündanlage oder dem Motorumfeld (Kompression, Ventile, Kerzen) zu suchen.
Nach Einbau der überholten Vergaseranlage sollten die Ventile und die Zündung in jedem Fall von einem Fachmann eingestellt werden.

Wir empfehlen unseren Kunden auf jeden Fall den Bosch Zündverteiler mit Überholen zu lassen,da diese ausgeschlagen,festgerostet sind und eine falsche Verstellkurve aufweisen.Das hat zur Folge,das Sie die neuen Vergaser im Leerlauf nicht eingestellt bekommen.Dabei ist es nicht getan eine Buchse und Kontakte zu erneuern,sondern der Verteiler muss auf einem Verteilerprüfstand mit einer 190 SL Verstellkurve justiert und eingestellt werden.
Die spätere Zündeinstellung am Fahrzeug muss gerade beim 190 SL mit 5 Grad nach OT erfolgen und wenn es der Leerlauf je nach Fahrzeug dann hergibt,kann man einwenig Richtung OT leicht nachjustieren.
Nur so bekommt man bei richtiger Vergasereinstellung den Leerlauf auf 900-950 U/min: OT bei 3-3,5 % eingestellt.Ausserdem bekommt der 190 SL bei ausgeregelter Fliehkraftverstellung des Zündverteilers 38 Grad bei 3500 U/min.Diese Werte erreicht man garantiert nur,wenn die vorherigen Punkte der Überholung am Verteilerprüfstand beherzigt wurden und nur so ist sichergestellt, dass der Motor bei höheren Drehzahlen durch falsche Werte oder falsche Verteiler von anderen Modellen keinen Schaden nimmt und der Leerlauf nicht mit 1800 U/min rast .
In einem alten Tabellenbuch taucht immer wieder der Wert von 8 Grad vor OT auf. Dies ist falsch!
Das original 190 SL Handbuch schreibt 5 Grad nach OT vor.Nach den heutigen Erfahrungen des Verfassers ist mit den heutigen Kraftstoffen die OT Einstellung anzustreben.
Mit 8 Grad oder 10 Grad vor OT "rast" der Motor im Leerlauf auch mit neuwertigen ,exakt eingestellten Vergasern.
Der originale ,mechanische Zündverteiler muss wie gesagt auf einen Fliehkraftverstellbereich von 19 Grad,d.h. 38 Grad Kurbelwinkel auf dem Verteilerprüfstand gebracht werden.

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Zu der einwandfreien Funktion der überholten Vergaser trägt auch immer die Benzinpumpe bei. Diese sollte demnach auch überholt werden, damit der richtige Förderdruck und -menge anliegen. Die Überholung beinhaltet die Erneuerung der Membranen (verbessertes Material, welches resistenter gegen das aggressivere, benzolhaltige Benzin der Gegenwart ist). Außerdem wird das Vordruckventil gewechselt, so dass die Benzinleitungen nicht leer laufen und der Wagen dadurch viel besser anspringt. Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Planschleifen der Dichtflächen zum Motorblock sowie die Überholung bzw. Erneuerung des Pumpenhebels. Abschließend wird die Abdichtung zum Stößel erneuert. Auf diese Weise kann kein Motoröl über die Bohrungen nach draußen gepumpt werden und den Motorraum verunreinigen. Desweiteren wird so ein Aufweichen bzw. die Beschädigung wichtiger Gummiteile verhindert.

Parallel zu einer Vergaserüberholung sollten Sie auch immer die Ansaugbrücke überholen. Diese ist erfahrungsgemäß verzogen oder deren Innenleben total verbraucht und verrostet. Falschluft im System kann durch diese Maßnahme von vornherein ausgeschlossen werden.

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Um nach dem Einbau der instandgesetzten Vergaser deren korrekte Einstellung und Ansteuerung zu gewährleisten (Stichwort: Synchronisation), sollten desweiteren auch ausgeschlagene Gestänge und Umlenkerlagerwellen der Vergaseransteuerung erneuert werden.

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Arbeitsschritte bei der Restaurierung von 44-PHH Vergasern:
  1. Vergaser komplett zerlegen
  2. Alle Dichtflächen an den Gussteilen werden geplant
  3. Gewinde werden nachgeschnitten (Bei Bedarf werden einzelne Gewinde durch spezielle Gewindebuchsen belastbar repariert)
  4. Anschlag für die Öffnungsposition der Vordrosselwelle verbessern (zylindrische Zapfen verlängern mit entsprechender Nacharbeit am Vergasergehäuse)
  5. Fluchtungsfehler an den Lagern der Vordrosselwelle beseitigen (Anfertigung und Einarbeitung von speziellen Lagerbuchsen)
  6. Ultraschallreinigung (Wichtig: Kein vorheriges Strahlen mit Glasperlen o.Ä., da Glas- oder Granulatelemente abrasiv wirken und die Oberflächenschicht beschädigen!)
  7. Neue Buchsen aus Lagerbronze für die Drosselklappenwellen einsetzen (Ø innen: 8H7)
  8. Nacharbeiten der Mischkammerbohrungen mit einer speziellen Fräsmaschine bis die Bohrung rund und sauber ist.
  9. Vermessen der Durchmesser der überarbeiteten Mischkammerbohrungen und Anfertigung von neuen Drosselklappen nach diesen Maßen
  10. Präzise Sicherung der Drosselklappen um auch später eine einwandfreie Funktion der wichtigen Bypass-Ansteuerung zu gewährleisten.
  11. Manuelles Polieren der Vergasergehäuse mittels Dremel um die Oberflächenschicht nicht zu beschädigen.
  12. Stahlteile auf Maßhaltigkeit prüfen, falls notwendig Gelenke erneuern, Schrauben einzeln per Feile nachbearbeiten bzw. erneuern.
  13. Teile in der Galvanik silbern verzinken (aus optischen Gründen und zur Protektion)
  14. Sämtliche Düsen reinigen, nach Einstelltabelle von Solex vermessen und prüfen (bei Bedarf erneuern oder ergänzen)
  15. Schwimmer überprüfen, bei Bedarf erneuern nach Tabelle vermessen und einstellen.
  16. Vergaser komplettieren, Membranen nach Schablone aus verbessertem Material ohne Überstände passgenau zuschneiden (siehe Abschnitt Benzinpumpe).
  17. Niveau und Einspritzmenge einstellen, Vergaser auf Dichtheit überprüfen
  18. Vergaser nach Solex-Tabelle für den Einbau grundeinstellen (Feineinstellung sollte danach am Fahrzeug erfolgen).

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Bitte beim Einbau der überholten 44PHH Solex Vergaser beachten:
Die einbaufertigen Vergaser dürfen nur durch einen Fachmann montiert und eingestellt werden!
  1. Vorab Motorumfeld überprüfen (Kompressionsmessung, Ventile, Kerzen)
  2. evtl. Ölabschirmkappen erneuern (verhindert das Eindringen von Motoröl in den Verbrennungsraum)
  3. CO- und Leerlaufeinstellung nach Werksangaben
  4. Ventile einstellen
  5. Zündung nach Werkstatthandbuch auf bleifrei einstellen
Ich hoffe, daß Sie den Aufwand einer Vergaserinstandsetzung nach den hohen Qualitätsanforderungen von Solex und Mercedes nun etwas besser einschätzen können. Bitte seien Sie bei Angebotsvergleichen so fair und stellen die Qualität der abgelieferten Arbeit gegenüber. Eine technisch perfekte Instandsetzung der 44PHH Solex Vergaser mit 100%iger Funktionsgarantie gibt es nicht zum Nulltarif.Ausserdem finde ich es in heutiger Zeit immer sehr schade,wenn wir bei telefonischen Vergaseranfragen immer mehr nur auf den Preis reduziert werden und gar nicht die Qualität der Arbeit gerade in diesem Bereich hinterfragt wird.Dies ist schon eine bedenkliche fehlgesteuerte Entwicklung unserer Zeit.

Sie sollten sich nicht nur von niedrigen Preisen blenden und leiten lassen, denn so manche Schnäppchenreparatur hat sich schon des Öfteren zu einem schier endlosen Alptraum und einem Eurograb für den jeweiligen Besitzer entwickelt.

Bei sonstigen Fragen können Sie mich gerne telefonisch 02102-845992 oder per E-Mail ostermeier@classicteile-oed.de kontaktieren.

Altteile, Vergaseranlage und Zündverteiler bitte sehr gut verpackt mit Auftrag an folgende Adresse senden:

Ostermeier
Hessenstrasse 6
40883 Ratingen

0151 2582 1236

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